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Die Tingleffer Kirche mit dem ehemaligen Kirchkrug (Hintergrund) und ehem. Küsterhaus/Schule (Vordergrund) sowie der charakteristischen Kastanienreihe (bis 2017)

Tingleffs Kirche zählt zu den 31 Feldsteinkirchen in Nordschleswig. Sie ist – wie auch andere – auf einem bronzezeitlichen Grabhügel errichtet worden - zunächst ohne Turm. Das genaue Alter ist nicht bekannt, aber mit Sicherheit stammt sie aus der Waldemarzeit (1157-1241). Der romanische Baustil mit seinen Rundbögen belegt dieses. Zu den späteren Veränderungen gehörte, dass man die hochgelegenen kleinen                                                  Fenster und Tingleff_1.jpgdie Eingangstür an der Nordseite (die sogenannte Frauentür) zumauerte (1723). Die Fenster wurden allerdings bei einer Restaurierung 1940/41 wieder geöffnet. Die Lage der ehemaligen nördlichen Eingangstür ist noch von außen und innen erkennbar. Innen - neben der ehemaligen Tür - befindet sich in einer kleinen Nische ein Relief des Tingleffer Künstlers/Bildhauers Jeremias Christensen (1859-1908): Joseph, der im Gefängnis die Träume deutet. In vorreformatorischer Zeit war die Kirche St. Leonhard geweiht (Nothelfer/Schutzpatron für Gefangene, das Vieh).

Tingleff_2.jpgWann Turm und Waffenhaus gebaut wurden, ist nicht genau datierbar. Ursprünglich hatte die Kirche den Status einer Kapelle; mit dem Bau des Turmes – vermutet man – wurde daraus eine Kirche. Mit Sicherheit belegen kann man Reparaturen am Turm seit 1750. Eine von ihnen ist durch die Jahreszahl 1776 an der Westseite erkennbar, dazu noch das Spiegelmonogramm des damaligen dänischen Königs (Christian VII.). Als 1783 nach einem durch Blitzeinschlag ausgelösten Brand der Turm fast völlig zerstört worden war, begnügte man sich beim Wiederaufbau zunächst mit einem Kuppeldach. Das wurde 1810 (Jahreszahl am Turm) durch die heutige Spitze ersetzt, die auf einer achteckigen Laterne ruht. Die beiden zerstörten Glocken wurden durch eine einzige schon 1784 ersetzt, hergestellt von Barthold Jonas Beseler, Rendsburg. Neueren Datums sind die vier Kirchturmuhren. Sie wurden von der Tingleffer Abteilung von Sparekassen Sønderjylland 1976 gespendet und 1977 durch den Ripener Bischof Dons eingeweiht. – Die Höhe des Turmes: 35,5 m. – Bild links: Turmspitze mit Laterne, Turmuhr und Sonnenuhr über dem Eingang
Der südliche Anbau, das Waffenhaus, wurde auch als Karnhaus bezeichnet (Karn > Strafe leiden, bestraft werden). Diese Bezeichnung könnte daher rühren, dass früher an seiner Außenmauer ein Halseisen (dän. gabestok) angebracht war. In alter Zeit standen im Waffenhaus die Totenbahren, später unterschiedliche Gerätschaften (u. a. auch die Feuerspritze des Dorfes). 1969 trennte man durch eine Innenmauer einen Raum ab, in dem sich Brautpaare oder Eltern mit einem Täufling vor der kirchlichen Handlung aufhalten können.

Das Dach der Kirche war ursprünglich mit Blei gedeckt. Das ersetzte man 1826 durch Schindeln aus Eichenholz und diese 1857 durch Ziegelpfannen, da Regen eingedrungen war. Der Regen war auch durch die Balken-/Bretterdecke gedrungen, sodass Kirchgänger zuletzt Regenschirme aufspannen mussten – wie die Chronik berichtet.

Tingleff_3.jpgDas älteste Stück des Inneren dürfte der romanische Taufstein aus Granit sein. Er steht seit 1922 an seinem heutigen Platz im Chor. 1866 hatte er einen eichenfarbenen Anstrich mit Dekorationen erhalten. Dieser ist aber wieder entfernt worden.

Im Flügelaltar aus der Zeit um 1475 sind nicht mehr die Originalbilder vorhanden, sondern weniger wertvolle aus der Zeit um 1700. Wertvoller ist das Gemälde unter dem Altarblatt in der Predella. Es lehnt sich an ein Propagandabild an, das Lucas Cranach während der Reformationszeit im Kampf gegen die katholische Kirche gemalt hatte.

Tingleff_4.jpgDie Kanzel an der Südwand wurde 1615 in der Werkstatt des berühmten Flensburger Holzschnitzers Henrik Ringerink angefertigt. Wie das wertvolle Stück nach Tingleff gelangte, ist nicht bekannt.

Tingleff_5.jpgDas Kruzifix an der Nordwand war einmal Teil eines Triumphkreuzes unter dem Chorbogen.  Bei Reparaturarbeiten in der Kirche (1826/28) wurde es heruntergenommen. Die beiden Seitenfiguren (Maria und Johannes) wurden zeitweilig im Karnhaus eingelagert. Später stellte sie der Küster in seinem Garten auf, wo sie bald verrotteten. Das Kreuz selber ist eine frühgotische Arbeit aus der Zeit von 1250 bis 1275, die Christusfigur vom Ende des 15. Jahrhunderts. Da ihre Arme im Verhältnis zum Körper zu schmächtig und zu kurz sind, vermutet man eine unsachgemäße Restaurierung. Kreuz und Kanzel hatte man 1941 wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt, nachdem man eine dicke braune Übermalung entfernt hatte.

Tingleff_6.jpgIm Jahre 1876 erhielt die Tingleffer Kirche ihre erste Orgel – eine Orgel von Marcussen & Sohn, Apenrade. Diese Orgel stand auf einer Empore, die man 1969 entfernte, als dieselbe Firma eine neue Orgel lieferte.

Bis 1878 hatte die Kirche keine Heizung. Dann wurden zwei eiserne Mantelöfen eingebaut. Bei ungünstigen Windverhältnissen gab es aber eine Rauchentwicklung im Inneren und die Wärme war in der Nähe nicht auszuhalten und weiter ab nicht mehr zu spüren. So investierte man 1897 in eine neue Anlage: ein ca. 500 m langes Rohrsystem unter dem Gestühl sorgte mit dem Wasser aus einer Heißwasserheizung für gleichmäßige Wärme.

Das Gestühl der Kirche wurde 1940/41 ausgewechselt; jedoch behielt man die Türen des alten.

Tingleff_7.jpgAuf dem Friedhof waren die Begräbnisstätten früher nach den ehemaligen Wohnstätten der Verstorbenen im Verhältnis zum Ort Tingleff ausgerichtet: nördlich der Kirche (von West nach Ost) Terkelsbüll/Terkelsbøl, Wippel/Vippel, Tingleff/Tinglev, Lautrup/Lovtrup – südlich der Kirche Sophiental/Sofiedal, Kraulund/Kravlund, Eggebek/Eggebæk, Brauderup/Broderup, Gaardeby, Baistrup/Bajstrup, Wiesgaard/Visgaarde. Diese Ordnung ist heutzutage aufgegeben worden. – Von 1880 an begann man mit Anpflanzungen auf dem Friedhof, um den oft stürmischen Wind zu brechen, der schon größere Grabmonumente umgeworfen hatte. 1883 wurden rings um den Friedhof Kastanien gesetzt, die der Gesamtanlage bis 2017 ein typisches Gepräge verliehen hatten (dann gefällt). – 1922 wurde für die Gefallenen des Kirchspiels im 1. Weltkrieg ein Gedenkstein eingeweiht; an anderer Stelle 1925 eine Gedenkstätte für die 17 Kriegsgefangenen (Engländer, Franzosen, Russen), die im Lager Baistrup verstorben waren. – Die Kirchhofsmauer an der Nord- und Westseite stammt aus dem Jahre 1913, die Friedhofskapelle aus dem Jahre 1937. – Die Zahl der Gräber betrug 1989: 2668. – Besonders an der Südseite des Friedhofgeländes sind zahlreiche alte Grabsteine aufgestellt worden. Außerdem findet man auf dem Gelände einen etwa 20 Tonnen schweren Naturstein – ein Geschenk des finnischen Freundschaftsortes Mallusjoki.

Text und Fotos: Hanns Peter Blume
(Nach Hans Fr. J. Hansen: Chronik des Dorfes Tingleff von den Anfängen bis 1920 - Die Tingleffer Kirche - Kirchen, Klöster und Kapellen in Nordschleswig)