„7 Uhr: Baden in der Genner Bucht. Für alle, die mögen.“ Das konnte nur Marilyns Idee sein. Als unser kleiner Chor das Programm für den Besuch des Lambrechtshäger Chors plante, war Sommer. Als das Wochenende kam, hatte der Herbst Einzug gehalten.
Auf das Baden verzichteten die meisten, aber nicht auf die vielen Gespräche, das Bier vom Störtebeker aus Rostock und von Fuglsang aus Hadersleben. Es gab viele echte grenzüberschreitende Begegnungen in diesen Tagen, man näherte sich an, war erstaunt, wie schnell und unkompliziert das ging, und wie herzlich. Daran hatte das gemeinsame Singen unter der Leitung von Pastor Martin Witte auf der nordschleswigschen Seite und von Bodo Pasternack auf der deutschen seinen Anteil – Sopran zu Sopran, Alt zu Alt und der einzelne Tenor wurde einfach eingemeindet. Wir kannten uns ja schon, wussten vom Besuch in Lambrechtshagen vor zwei Jahren, was wir voneinander erwarten konnten.
Den Ehrgeiz hatten auch die beiden Chorleiter zugunsten der Begegnung etwas hintangestellt, und vor allem hatten sie kurzerhand die Kirche in Loit zum Probenraum umfunktioniert mit dem wunderbaren Organisten Ole Plauborg Jensen, der den Einzug der Königin von Saba von Georg Friedrich Händel auf der Orgel spielte. Das ist ein Lieblingsstück von Martin Witte. Da blitzte die freundschaftliche Verbundenheit auf, und die war wohl auch der Grund, warum Ole Plauborg Jensen uns den ganzen Altar zeigte, auch die Rückseite, die sonst verborgen ist hinter der prächtigen Vorderseite des Altars.
Wir hatten das Gefühl, dass wir dank der gegenseitigen Wertschätzung, Übereinstimmung und Freundschaft zwischen dem deutschen Pastor und dem dänischen Organisten Schätze entdecken durften. Wir durften teilhaben. Schöne Bilder prägten sich ein: ein kleiner rundköpfiger Organist, dessen Haarkranz zu Berge stand und der auf einem Stuhl stehend, eifrig die Altarbilder erklärte. Wahrscheinlich ist der Altar aus dem 16. Jahrhundert und vielleicht aus Lübeck. Und die Marcussen-Orgel mit ihren mindestens 1900 Pfeifen (wo sind die überall versteckt?) wurde 1845 in Betrieb genommen. Das reiche Loit gab und gibt der Kirche ihren Glanz. Der Kirchenraum selbst aber besteht auf seiner ganz eigenen Atmosphäre, die durch viele Jahrhunderte hindurch gewachsen ist und die ihre Spuren hinterlassen hat. Da ist der Glanz die wundervolle Zugabe, die den Geist der Kirche leuchten lässt.
Die Domstadt Hadersleben mit ihrem alten Viertel um das ehemalige Kloster herum, seinem alten Friedhof und dem Ehrfurcht gebietenden Dom wurde von dem alten Haderslebener Hans Heinrich Hansen erklärt. Deutsches und Dänisches auch hier Seite an Seite, Teil der Geschichte wie der Film von Wilfried Hauke „Das unsichtbare Band“, das den Lambrechtshägern zeigte, wie sehr beides in unserer Heimat miteinander verwoben ist.
Naja, und der Knivsberg musste sich wahrlich auch nicht verstecken. Die Renovierung hat ihn aus dem Dornröschenschlaf geweckt, die poppige Ankündigung des Konzerts von LaLeLu stimmte fröhlich, das Essen war gut und reichlich und die Menschen freundlich.
Der eigentliche Grund des Besuches aber war der Gottesdienst am Sonntagvormittag im Theatersaal auf dem Knivsberg. Ein Tisch wurden zum Altar umfunktioniert, eine kunstvolle Kreuzesdarstellung der Textilkünstlerin Elise Künkel aus Lund wurde aufgehängt, die sie Martin Witte zum Abschied aus Schweden geschenkt hatte, Kerzen aufgestellt, die Stühle im Halbkreis, auf der einen Seite der Chor, auf der anderen die Gottesdienstbesucher*innen. Ein Rostocker im nordschleswigschen Exil sorgte für das Licht, August Bruhn für eine Zugabe mit seinem Flügelhorn, und wir, wir sangen alle zusammen. Fröhlich, freudig, etwas traurig, weil dies der Abschluss eines Besuches war, der uns allen gutgetan hat.
Ein besonderer Augenblick entstand, als Silke Schultz nach dem Spiel mit der Flöte mit ihrer Harfe und Martin Witte am Klavier die Weise aus den Tagen vor der Wiedervereinigung „Als ich fortging“ spielten. So viel Zartheit, Wehmut und zerbrechliche Schönheit trieb so manchem die Tränen in die Augen.
Danke, Silke! Und Dank an die Menschen, die uns nähergekommen sind, die sich geöffnet haben wie auch wir es tun konnten.
Eine gute Begegnung.
Andrea Kunsemüller